Alles Salz – 7000 Jahre lang Ein Blog-Artikel der Hallstatt-Archäologen Hans Reschreiter, Daniel Brandner, Johann Rudorfer und Kerstin Kowarik
Weltweit ist keine andere Landschaft bekannt, in der von der Steinzeit bis heute produziert wird. Die älteste Industrie- und Kulturlandschaft der Welt hat sich um den Hallstätter Salzberg entwickelt. Diese lange Salzgeschichte, die Auswirkungen der Salzproduktion und des Salztransports auf alle Bereiche des Lebens und der Landschaft, so wie das harmonische Zusammenspiel von Mensch und Natur waren die Hauptargumente, dass die Region Hallstatt - Dachstein/Salzkammergut vor 25 Jahren zum UNESCO Weltkulturerbe ernannt wurde.
Salzabbau seit 7.000 Jahren
Die neuen Forschungen zeigen, dass die Salzproduktion in der Steinzeit begann, in der Bronzezeit um 1300 v. Chr. massiv intensiviert wurde und dass seit damals kontinuierlich das innere Salzkammergut bewohnt ist und wohl auch Salz produziert wurde – bis heute. Die lange Tradition wird von der Salinen Austria AG fortgesetzt.
Damit Salz in großem Umfang in einer alpinen Landschaft über Jahrtausende produziert werden kann, ist eine zuverlässige Versorgung mit Betriebs- und Nahrungsmitteln notwendig, die Anlieferung dieser Grundmittel und der Abtransport des Salzes muss klaglos funktionieren und es müssen die Strukturen vorhanden sein, die die Bewältigung von Extremereignissen wie Lawinen, Muren oder Hochwässern ermöglichen. Um Versorgung und Transport zu gewährleistet, war es von der Urzeit bis ins 20. Jahrhundert notwendig, dass alle Ressourcen der Landschaft intensiv genutzt wurden. Noch vor 100 Jahren war von den Almen über die Bergmähder, die Wälder, die Steine als Baumaterial bis zu den Bächen und Flüssen als Transportweg für das Salz und für die Holztrift die gesamte Landschaft intensiv genutzt. Fast alle Personalressourcen waren im und um das Salz gebunden – in der Primärproduktion, in den Sudhütten, an der Soleleitung, in der Forstwirtschaft, oder in der Produktion von Lebensmitteln und Produktionsmitteln oder im Transportwesen, für die Salzschifffahrt oder der Holztrift. Es entstand eine reine, allumfassende Salz-Landschaft.
Mit dem Bau der Eisenbahn 1877 und später mit dem Ausbau des Straßennetzes und dem damit einhergehenden einfachen Massentransport und daher dem Wegfall der Notwendigkeit, dass vieles direkt im Salzkammergut produziert werden musste, konnte viel Infrastruktur rund um die Salzproduktion, den Salztransport und die Produktion von Betriebs- und Nahrungsmitteln aufgelassen werden.
Durch fortschreitende Automatisierung und technischen Fortschritt sind nun immer weniger Menschen rund ums Salz beschäftigt und die heute noch notwendige Infrastruktur ist kaum mehr wahrnehmbar.
Die Salz-Produktion ist heute für Außenstehende fast unsichtbar und daher auch aus dem kollektiven Bewusstsein der Region immer mehr verschwunden.
Salz ist daher nicht mehr – so wie in den letzten Jahrtausenden – landschaftsprägend und identitätsstiftend. Die älteste Industrie- und Kulturlandschaft ist dabei sich in eine Tourismuslandschaft zu wandeln – obwohl heute mehr Salz denn je im SALZkammergut produziert wird.
Um das Weltkulturerbe gleichzeitig zu bewahren und behutsam weiterzuentwickeln werden aktuell mehrere Wege eingeschlagen. Es erfolgt eine Kombination aus Erforschung und Vermittlung der einzigartigen Salzlandschaft.
Forschungsergebnisse
Das Naturhistorische Museum Wien arbeitet mit seinen Kooperationspartnern Salinen Austria AG und Salzwelten GmbH und vielen Forschungspartner*innen daran, die 7000 jährige Salzgeschichte immer detaillierter zu verstehen. 2021 ist es gelungen sowohl im Hallstättersee als auch im Grafenbergsee am Dachsteinplateau Sedimentbohrkerne zu ziehen, welche die letzten 10.000 Jahre abdecken und es ermöglichen werden, sowohl das Entstehen und die Entwicklung der Salzlandschaft als auch der Almwirtschaft vom Urwald bis zur Tourismusdestination lückenlos zu rekonstruieren. Aus einem Moor in Hallstatt konnten bereits erste Ergebnisse zur Nutzung des Salzbergtales in den letzten 6400 Jahren gewonnen werden – und diese zeigen, dass das in der UNESCO Begründung angeführte harmonisches Zusammenspiel von Mensch und Natur bis in die Bronzezeit nachgewiesen werden kann. Es zeigt sich nachhaltige Forstwirtschaft von 1200 v. Chr. bis heute.
Die Salzgeschichte live erleben
Man schützt nur, was man kennt – dieser Grundsatz gilt nicht nur für den Umweltschutz, auch für die Bewahrung der Welterbelandschaft ist er relevant. Das Besondere am Weltkulturerbe rund ums Salz zu erkennen, ist aber gar nicht so einfach. Der Großteil der prähistorischen und der mittelalterlichen Salzgeschichte liegt unsichtbar im Boden verborgen oder ist hunderte Meter tief im Salzberg konserviert. Auch die Relikte der industriellen Salzproduktion der letzten Jahrhunderte sind zum Teil nur mehr für das geübte Auge erkennbar. Um die kaum oder nur schwer sichtbaren Teilbereiche der Salzgeschichte erkennbar und erfahrbar zu machen, wird seit Jahren der Weg der intensiven Vermittlung und Visualisierung eingeschlagen. Themenwege und Hinweistafeln sind ebenso Teil des Vermittlungskonzepts wie hochwertiges Infotainment in den Salzwelten. Dort wird im Bronzezeitkino, dem Höhepunkt der Führung durch den Salzberg und im VR-Raum die prähistorische Salzgemeinschaft einem großen Publikumskreis näher gebracht. Die untertägige Welt kann auch virtuell erkundet werden. Sowohl die Forschungsstollen als auch ein Teil der besonderen Funde sind „im Netz“ verfügbar.
Erlebe die Forschung virtuellSchutzprojekte für das Welterbe im Salzkammergut
Um die 7000-jährige Salzgeschichte weiter tradieren und erzählen zu können haben sich als Ausgangpunkte für die Vermittlung und Visualisierung Ankerpunkte in der Landschaft bewährt. Deshalb wird den verbliebenen Industriedenkmalen der Salzproduktion und des Transports nun verstärkte Aufmerksamkeit zuteil. So werden etwa Stollenportale und Berghäuser saniert, die Trasse der Soleleitung von Hallstatt über Bad Ischl nach Ebensee rückt stärker in den Fokus und Betriebsgebäude werden zum Teil behutsam adaptiert. Zusätzlich wurde in den letzten Jahren die „Archäologische Denkmallandschaft Salzbergtal und Dammwiese“ eingerichtet. Ein weiteres Schutzprojekt wird seit drei Jahren mit erheblichem Aufwand vorangetrieben – Mitarbeiter*innen der Salinen Austria AG und des Naturhistorischen Museums werden bis 2026, finanziert vom Bundeskanzleramt und dem Land Oberösterreich, die Zugänge zu den untertägigen prähistorischen Fundstellen saniert haben und damit diesen zentralen Teil des Welterbes für kommende Generationen gesichert haben.
Das Ziel für die Zukunft wird es sein die faszinierende Salzgeschichte weiter zu transportieren und das Salzkammergut als Salzlandschaft weiter in den Köpfen zu verankern. Wenn die Erhaltung der Kulturlandschaft mit ihren spezifischen Elementen von der Bevölkerung mitgetragen werden soll, dann ist das nur möglich, wenn umfangreiches Verständnis und Wertschätzung bezüglich des zu erhaltenden Erbes bestehen. Andernfalls sind die Denkmale und Zeugnisse des Weltkulturerbes nur „alte, wertlose Dinge“, die nicht mehr benötigt werden und auch keiner Aufmerksamkeit bedürfen.
Um das Salzkammergut weiter zu entwickeln und auf die kommenden Herausforderungen reagieren zu können, ist ein Ausbau der Infrastruktur ebenso notwendig, wie die Erweiterung von Wildbach- und Lawinenverbauungen. Die Errichtung von Infrastruktur und Schutzbauten bedingt aber oft Bodeneingriffe oder die Veränderung von Bausubstanz. Viel Fingerspitzengefühl und sensibler Umgang werden in Zukunft notwendig sein, um das Einmalige dieser jahrtausendealten Kulturlandschaft zu erhalten und gleichzeitig weiterzuentwickeln.
Mehr Information zur Forschung in Hallstatt
Digitale Inhalte über den prähistorischen Bergbau
Die Salzwelten Hallstatt bieten in Kooperation mit dem NHM Wien spannende Programme und regelmäßige Sonderführungen rund um die Archäologie am Salzberg an. Hier findest du Infos dazu.
Zum Autor
Dr. Hans Reschreiter
Forscht als Mitarbeiter des Naturhistorischen Museum in Wien in Hallstatt und ist seit 2001 Ausgrabungsleiter im prähistorischen Salzbergwerk. Sein besonderes Interesse gilt der Bergbauarchäologie, der experimentellen Archäologie und der Wissensvermittlung. Vielleicht kennst du ihn aus dem Fernsehen oder hast ihn sogar persönlich bei unseren Veranstaltungen Archäologie am Berg oder am UNESCO Welterbetag getroffen?
Das Forscherteam rund um Hans Reschreiter